OE (14.03.2005) Porträt über Hans Schweitzer:

Phönix aus dem Wald
Porträt: Der Stockheimer Hans Schweitzer wird nach seinem schweren Unfall bald wieder die Laufschuhe schnüren
 
Am 31. Oktober 2004, an einem Sonntag, hat Hans Schweitzer im Trikot der LG Odenwald beim Frankfurt-Marathon in seiner Altersklasse M45 den ersten Platz belegt. Einer von zahlreichen Erfolgen des Odenwälder Ausnahmeläufers. Er sollte nur drei Tage später wieder in der Mainmetropole sein – diesmal war der Anlass weniger angenehm. An diesem Mittwoch im November später wäre der 48 Jahre alte Stockheimer fast gestorben. Mittlerweile geht es ihm wieder so gut, dass er Anfang April wieder mit dem Lauftraining beginnen will.

„Da war Windbruch in unserem Wald, den wollte ich beseitigen. Meine Mutter war auch dabei. Ich habe unten gesägt, in etwa fünf, sechs Metern Höhe ist der Baum auseinander gebrochen und ein Teil auf mich gefallen.“ Zunächst ist er unter Schock aufgestanden, ein paar Meter gegangen, dann aber ohnmächtig zusammengesackt. „Was danach passiert ist, habe ich nicht mehr mitbekommen.“ Sein Glück war, dass nicht weit von der Unfallstelle entfernt Waldarbeiter waren, welche die Mutter alarmieren konnte.

Mit dem Hubschrauber wurde Hans Schweitzer in die Uniklinik Frankfurt transportiert. Die Diagnose: Leberriss, Lungenriss, Milzriss, 18 Rippen gebrochen, zwei Brustwirbel angeknackst. Dazu war noch ein Stück des Darms porös. Der Odenwälder wurde sofort in ein künstliches Koma versetzt und operiert.

Seine mittlerweile verständigte Frau Brigitte kam mit dem Taxi nach Frankfurt. Zum Autofahren sah sie sich mental nicht in der Lage. „Es hat zehn Tage gedauert, bis man mir sagen konnte, dass er über den Berg ist“. Insgesamt sieben Mal sei er operiert worden, kann seine Frau lediglich schätzen, weil sie in dieser Zeit praktisch neben sich gestanden habe. Hans Schweitzer selbst kann sich nur an zwei Operationen erinnern. „Wenn es ihr Mann schafft, dann kriegen Sie ihn so wieder, wie er mal war“, hatte ihr der behandelnde Oberarzt versprochen. „Zwei Ärzte haben mir gesagt: ’Ohne Ihre Lauferei hätten Sie es nicht gepackt’“, erinnert sich der selbstständige Maschinenbau-Ingenieur. „Egal wie viel sie an mir rumgeschnippelt habe, mein Herz hat immer funktioniert.“ Unzählige Trainings- und Wettkampfkilometer haben dafür gesorgt, dass Schweitzers Herz-Kreislauf-System in einem absoluten Topzustand war und damit robust genug für die zahlreichen Eingriffe.

Viel Zuspruch bekam Brigitte Schweitzer aus Läuferkreisen. Das Telefon habe nicht stillgestanden. Einige haben sie auch nach Frankfurt zu Krankenbesuch gefahren: „Dafür bin ich wirklich sehr dankbar, denn ich war wirklich nicht in der Lage, Auto zu fahren. Ich wusste ja nie, was mich dort erwartet.“ Heiligabend durfte ihr Gatte wieder nach Hause. Gehen konnte er nur auf Krücken, aber die wurden bald zur Seite gestellt. Es schlossen sich drei Wochen Reha in Bad Homburg an. „Ich wäre natürlich lieber nach Bad König gegangen, aber dafür hatte ich die falsche Krankheit.“ In Frankfurt hatte er vor kurzem den letzten Eingriff, als der künstliche Darmausgang zurückgelegt wurde. Sobald diese Schmerzen verschwunden sind, wird er wieder die Laufschuhe schnüren.

„Es war nicht unbedingt das Wichtigste, das ich wieder laufen kann, aber daran gedacht habe ich schon“, sagt Hans Schweitzer. Vor dem Unfall ist der Autodidakt täglich im Schnitt fünfzehn Kilometer gelaufen. „Wie das Trainieren jetzt geht muss ich probieren. Ich habe ja nie eine Unterbrechung gehabt, seit ich mit dem Laufen angefangen habe. Ich kenne auch niemanden, der in sowas Erfahrung hat. Vermutlich wird es erstmal auf 100 Meter Laufen und 100 Meter Gehen hinauslaufen.“ Er habe den Vorteil, kein Anfänger zu sein, er wisse ja, wie es geht. Wann und wo er wieder an Wettkämpfen teilnehmen wird, dass vermag er noch nicht sagen. Aber im Juli wird er mit seiner Frau traditionell in Davos den Sommerurlaub verbringen. Just zu dem Zeitpunkt findet dort auch der Swiss Alpin Marathon statt. Sicherlich wird er – falls überhaupt am Start – nicht die längste Distanz über 78 Kilometer in Angriff nehmen können. Aber es gibt ja auch kürzere Strecken....

Unter Erfolgsdruck setzt sich der erfolgsverwöhnte Stockheimer nicht. „Ich werde erstmal bestimmt hinterherlaufen und nicht vorneweg.“ Das wird zwar ungewohnt sein, kümmert ihn aber nicht sonderlich. Für ihn gilt die Devise: „Wieder trainieren, wieder laufen – man weiß ja nie, was noch kommt.“

Lutz Heider
14.3.2005
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