OE (07.06.2006) zum Hammerwurf-Meeting (Pfingstmontag) 2006:

Weitenjagd mit besonderen Reizen
Leichtathletik: Markus Esser und Karsten Kobs schwören auf Fränkisch-Crumbach
 
Fränkisch-Crumbach hat am Pfingstwochenende seinen Sonderstatus weiter geschärft. Die Hammerwurf-Elite schwärmt über den kleinen Odenwald-Ort – und das lag nicht allein am deutschen Rekord der Frankfurterin Betty Heidler (wir haben berichte). „Wer sich hier behauptet, der kann sich überall durchsetzen“, urteilte Hammerwurf-Bundestrainer Michael Deyhle. „Hier vor ein paar hundert Zuschauern im Odenwald ist dreimal besser als in Rom vor fünfzig“, beschrieb auch Ex-Weltmeister Karsten Kobs (Dortmund) die Besonderheiten, während sich der Leverkusener Markus Esser bereits als „Lokalmatador“ fühlte.

Publikumsliebling war die derzeit stärkste deutsche Kraft allemal schon vor seinem erneuten Sieg bei der vierten Auflage. Vom Kochkäse bis zum Landrat habe er alle regionalen Spezialitäten kennen gelernt, zumal er wegen der Behandlung seiner Schulterverletzung schon eine Woche vorher im Odenwald war. Dies und die südhessische Luft müssen jedenfalls leistungsfördernd gewesen sein. Denn obwohl sich Esser „erst zu 80 Prozent“ wieder fit fühlte, knackte er mit 80,32 m nicht nur seine Bestleistung sondern erstmals in Fränkisch-Crumbach auch die 80-Meter-Marke.

Damit kam er auf dem alten Sportplatz in der Ortsmitte der Grenze des Werferfeldes gefährlich nahe – und das reizt die Asse offenbar noch mehr als jede Siegprämie, die in Fränkisch-Crumbach ohnehin nicht allzu hoch ausfallen kann. Den Wurf auf das angrenzende Pflaster – „irgendwann werde ich das packen“, kündigte Esser an.

Zielwerfen bei der Weitenjagd? Den Reiz von Fränkisch-Crumbach machen aber längst nicht die kuriosen Seiten aus. Familiäre Betreuung und die fein auf die Werfer abgestimmten Bedingungen lassen Bestweiten und Norm-Erfüllungen erhoffen. „Wenn nicht hier, wo dann“, erklärte Karsten Kobs. Aber gerade aus dieser Erwartungshaltung erwächst schnell besonderer Druck. Die Nähe zum Publikum, die nicht jeder Sportler wie Markus Esser genießt, tut dann ihr Übriges. „Das sind die Situationen, die wir suchen“, erklärte Bundestrainer Deyhle. In den vergangenen Jahren kämpfte damit besonders Lokalmatadorin Katrin Falter (LG Frankfurt). Diesmal hielt die Juniorin ihre Nerven besser im Zaum, schrammte mit 56,29 m nur knapp an ihrer Bestweite vorbei, war aber dennoch nicht ganz zufrieden.

„Da fühlt man sich plötzlich wie 15 Jahre“, gab auch Kobs zu, nachdem seine ersten Versuche die Norm für die EM in Göteborg (7. bis 13. August) von 78,65 m mehrfach um wenige Zentimeter verpassten. Doch inzwischen genießt der Routinier auch den Kitzel: „Ich brauche einen, der mich knapp am Abgrund hält und mal zuckt“. Erst mit dem sechsten und letzten Wurf befreite sich Kobs aus der Klemme: Die 78,90 m waren darum doppelt schön, auch wenn Esser, der bereits sein EM-Ticket in der Tasche hat, derzeit ein gutes Stück voraus ist. Doch gerade die Konkurrenz mit dem acht Jahre jüngeren Kollegen sei für ihn Motivation, seine Karriere weiterzuführen, sagte Kobs. „Hoffentlich bis Olympia 2008 in Peking“ soll sie gehen.

Dass der Weg dorthin auch über Fränkisch-Crumbach führen wird, dürfte nicht in Frage stehen. Das Team um Organisator Peter Falter und Veranstalter TV Fränkisch-Crumbach, das die Sportanlage Schritt für Schritt ausbaute, hat die fünfte Auflage an Pfingsten 2007 schon im Visier. „Mehr kann man sich nicht wünschen“, lautete das zufriedene Fazit des TV-Vorsitzenden Karl Vogel nach den sportlich hochklassigen Wettbewerben, die an zwei Tagen mit insgesamt rund 600 Zuschauern wieder große Resonanz erhielten.

Für Falter hat sich auch die Abtrennung der Jugendwettbewerbe bewährt, die am Pfingstmontag ebenfalls mit zahlreichen Bestleistungen über die Bühne gingen: „Das wird der richtige Weg sein.“ Alexandra Raab (LG Ried) steigerte sich in der weiblichen A-Jugend auf 50,42 m (Rang vier). Bei der weiblichen B-Jugend landeten Lisa Raab (ESV Jahn Treysa/45,04) und Lisa Held (TV Bürstadt/44,43) ebenfalls Achtungserfolge auf den Plätzen fünf und sechs.

Für die Jugendarbeit von Veranstalter TV Fränkisch-Crumbach legten sich schließlich sogar Esser und Kobs ins Zeug. Nach der Siegerehrung versteigerte Esser sein Kopftuch, das für inzwischen Markenzeichen ist, und Kobs legte noch ein T-Shirt drauf und betätigte sich schließlich gar als Auktionator. 150 Euro kamen schließlich zusammen. Immerhin. Kobs wollte sogar noch etwas mehr rausholen indem er versprach: „Für 300 Euro putzt der Markus auch nackt“. Doch die gewünschte Resonanz blieb aus. Noch. Reizvolle Steigerungsmöglichkeiten sollen schließlich auch in Fränkisch-Crumbach bleiben.

Volker Bachmann
7.6.2006
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