OE (26.05.2018) zur neuen Datenschutz-Verordnung:

Der Datenschutz läuft jetzt mit

LEICHTATHLETIK – Verbandsbeschluss bringt Kreis in Zwickmühle / Ohne Einverständniserklärung der Eltern geht nichts

Alles anonym? So weit geht der Schutz der Daten bei Sportveranstaltungen, die nun mal meist öffentlich sind, nun doch nicht. Foto: Thomas Zöller
DARMSTADT – Verpasste Meisterschaft wegen Datenschutz? Auch im Sport ist die Verunsicherung riesengroß, welche Veränderungen und Pflichten die seit Freitag gültige Datenschutzgrundverordnung mit sich bringt. Es kursieren viele Gerüchte und sich widersprechende Informationen um dieses Kürzelungetüm DSGVO – bei Verbänden, Vereinen, Veranstaltern und ebenso auch bei Sportlern und Eltern. Keine guten Voraussetzungen für die am Wochenende stattfindende Wettbewerbe. Müssen gar Kinder, die keine aktuell ausgefüllte Einverständniserklärung der Erziehungsberechtigten vorlegen können, um ihren Start bei Meisterschaften bangen?

Dieses Szenario gibt es bei den südhessischen Meisterschaften in Darmstadt, für die der Leichtathletikkreis Darmstadt-Dieburg als Ausrichter entsprechende Auflagen macht, um auf „der sicheren Seite zu sein“, wie es Kreisvorsitzende Andrea Zemke sagt. Das ist laut Dr. Frank Weller (Hohenahr) aber eigentlich so gar nicht nötig. Der Rechtsanwalt berät den Landessportbund Hessen (LSBH) und ist Vorsitzender des Landesausschusses Recht, Steuern und Versicherung. Er sieht in den Wirren um die Verordnung „ein Sturm im Wasserglas.“

Für Sportveranstaltung ist die Rechtslage geblieben

Natürlich gebe es durch die DSGVO neue Herausforderungen im Umgang mit Daten, denen sich auch die rund 7700 hessischen Sportvereine stellen müssen. Für ihre öffentlichen Sportveranstaltungen habe sich aber nichts an der vorherigen Rechtslage geändert. „Jeder, der dort hingeht, der weiß, dass dort Berichte, Ergebnislisten oder auch Fotos gemacht werden.“ Das gelte auch für Eltern, die ihre Kinder dort starten lassen. „Vereine brauchen auch Außendarstellung“, sieht Weller in der Öffentlichkeit zudem einen von den Satzungen gedeckten Zweck.

Veranstalter seien gleichwohl in der Pflicht, die Teilnehmer darüber zu informieren, welche Daten wofür erhoben und wie lange diese gespeichert werden. „Diese Information muss man geben, aber das kann man relativ einfach machen.“ Ein Infoblatt bei der Anmeldung, ein Aushang, Angaben auf der Homepage oder in der Ausschreibung, nennt Weller als Beispiele. Eine Frist für die Speicherung seien etwa drei Monate, „bis eben alle ihre Urkunden haben“.

Auch intern müssten Vereine mehr Informationspflichten gegenüber ihren Mitgliedern nachkommen. Darüber informiert zum Beispiel der LSBH in umfangreichen Ratgeber-Dokumentationen. Verbunden mit dringenden Appellen, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und den Umgang mit personenbezogenen Daten zu prüfen und eventuell anzupassen. „Eine fürchterliche Bürokratie“, weiß Weller. Doch mit Hinweis auf den hessischen Datenschutzbeauftragten rät er auch zu einer „gewissen Gelassenheit.“ Vieles müsse sich in der Praxis noch einspielen – gerade auch im ehrenamtlichen Bereich, der bei der Drohung mit Bußen sicher nicht im Fokus stehe.

All das hilft allerdings Andrea Zemke nicht aus der Zwickmühle. Denn der Kreis setze bei den südhessischen Meisterschaften nur einen Beschluss des Hessischen Leichtathletik-Verbandes (HLV) um. „Wir sind schließlich nicht eigenständig. Und das ist eine ganz klare Vorgabe des Mutterverbandes.“ Getroffen wurde diese bei der Verbandsvollversammlung im April, da es eben keine allgemeingültige Regelung für alle Fachverbände gebe. Sinn war der besondere Schutz für Kinder, den auch die DSGVO beinhaltet. Der Praxisbezug sei sicher „kritisch zu hinterfragen“, aber der Beschluss laute: „Wir müssen die Einverständniserklärung der Eltern einfordern und kontrollieren.“

Zemke spricht von einer „ganz, ganz schwierigen Situation. Denn das Letzte, was ich will, ist Kindern die Starterlaubnis zu verweigern.“ Schwierig zu vermitteln ist, dass für die U12 selbst kein gültiger Startpass genügt. „Wir haben alles versucht, um zu informieren. Ich selbst mache seit zwei, drei Wochen nichts anderes“, beteuert Zemke. Als Resonanz erlebe der Kreisvorstand auch harsche Kritik und „unverschämte Mails.“ Die Belastung sei enorm. „Dass meine Mannschaft noch komplett im Boot ist, das hat unheimlich viel Kraft gekostet“, bilanziert die Vorsitzende. Immerhin ist sie zuversichtlich mit dem Einsatz große Teile der Verantwortlichen – Vereine, Trainer, Eltern – „erwischt zu haben.“ So könnte ein Ausschluss von den Meisterschaften, die am Samstag und Sonntag jeweils ab 10 Uhr im Bürgerparkstadion ausgetragen werden, wegen einer fehlenden Einverständniserklärung doch Ausnahme bleiben.



26.05.2018 | Volker Bachmann